| Verabschiedung im Bundesrat

Jugend- und Familienministerin Anne Spiegel: „Neues Kinder- und Jugendstärkungsgesetz bringt lang erwartete Verbesserungen für alle jungen Menschen“

Am heutigen Freitag hat der Bundesrat dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz zugestimmt. Nach dem im Jahr 2017 gescheiterten ersten Anlauf zur Reform des 8. Sozialgesetzbuches (SGB VIII) wird mit der heutigen Verabschiedung die Umsetzung eines der bedeutendsten Reformvorhaben in der Kinder- und Jugendhilfe seit der Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes im Jahr 1990 in die Wege geleitet. Das erarbeitete Reformvorhaben ist mit großen Hoffnungen verbunden, denn die Änderungen sollen insbesondere den rund 1,5 Millionen Kindern und Jugendlichen mit besonderem Unterstützungsbedarf in Deutschland bessere gesetzliche Rahmenbedingungen bieten. 

Familien- und Jugendministerin Anne Spiegel dazu: „Ich bin sehr froh, dass das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, über das fachlich und politisch intensiv gerungen wurde, nun beschlossen wurde. Es bietet jungen Menschen in vielen Punkten perspektivisch eine bessere Chancengerechtigkeit und Teilhabe, unabhängig davon, ob sie mit oder ohne Beeinträchtigung aufwachsen.“
In der Debatte des Bundesrates hatte sich Rheinland-Pfalz mit einer Vielzahl fachpolitischer Anträge eingebracht und die Diskussion maßgeblich mitbestimmt. Die wesentlichen Eckpfeiler der Reform sind nun festgelegt. Dazu gehören:


1.    Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen
2.    Besserer Kinder- und Jugendschutz
3.    Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen
4.    Mehr Prävention vor Ort, damit Unterstützungsangebote Kinder, Jugendliche und ihre Eltern besser erreichen
5.    Mehr Beteiligung junger Menschen, ihrer Eltern und Familien

„Insbesondere die sogenannte ‚inklusive Lösung‘ – also die Zusammenführung der Zuständigkeit für alle Kinder und Jugendlichen mit und ohne Beeinträchtigung unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe – ist einer der wichtigsten Eckpfeiler des neuen Gesetzes und entspricht unserem Verständnis von Vielfalt und Gleichberechtigung, wie es für eine Gesellschaft im 21. Jahrhundert selbstverständlich sein sollte“, betonte Familienministerin Anne Spiegel. 

Die gesetzlichen Regelungen sehen eine schrittweise Umsetzung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe bis 2028 vor. „Es ist wichtig, dass wir einen klaren Zeitplan mit verbindlichen Schritten haben, damit perspektivisch Eltern mit Kind nur noch eine Anlaufstelle in den Kommunen haben und Leistungen aus einer Hand bekommen. Wir erleichtern damit die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und bauen bürokratische Hürden ab.“ 

Wichtige Weiterentwicklungen der Reform sind darüber hinaus die Stärkung von Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten für junge Menschen, die in Heimen leben. So werden Ombuds- und Beschwerdestellen geschaffen und der Kostenbeitrag für Heim- und Pflegekinder, die schon erwerbstätig sind, reduziert. 


„Auch wenn sich Rheinland-Pfalz im Bundesrat vehement für eine komplette Abschaffung des Beitrags von Heim- und Pflegekindern an den Kosten der Hilfen zur Erziehung eingesetzt hat, so ist es doch ein Erfolg, dass der Kostenbeitrag von 75 auf höchstens 25 Prozent gesenkt werden konnte. Zudem bleiben 150 Euro als Freibetrag unangetastet, wenn diese durch Ferienjobs, Praktika oder ehrenamtlichen Tätigkeiten verdient wurden. Das ist für junge Menschen, die sich vor dem Hintergrund oftmals schwieriger Lebensverläufe eine eigene Existenz aufbauen wollen, ein wichtiger Fortschritt“, unterstrich Ministerin Spiegel.


Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz werden auch erhöhte Qualitätsanforderungen an die Träger der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere im stationären und teilstationären Bereich festgeschrieben. Dies betrifft vor allem die verbindliche Festschreibung von Gewaltschutzkonzepten, die für Heimeinrichtungen, Tagesgruppen und auch Pflegefamilien erarbeitet werden sollen. 
„Uns ist wichtig, dass jegliche Formen von Gewalt an jungen Menschen bekämpft wird, deshalb sind verpflichtende Schutzkonzepte für alle Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe so wichtig“, unterstrich Ministerin Spiegel.


Dem Gesetzentwurf vorausgegangenen war ein langer Dialogprozess mit Expertinnen und Experten, Fachkräften sowie Vertretungen von Ländern und Kommunen.

 

Hintergrund: 
Das Sozialrecht diskriminiert bisher Kinder und Jugendliche mit körperlicher und geistiger Behinderung. Da sie sich in einem anderen Rechts- und Hilfesystem befinden als alle anderen Kinder und Jugendlichen, haben sie und ihre Eltern gravierende Nachteile. Sie leiden unter Zuständigkeitslücken, ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wird erschwert und sie werden mit unnötigen bürokratischen Hürden konfrontiert. Der Gesetzentwurf sieht nun einen schrittweisen Übergang zu einer entsprechenden inklusiven Jugendhilfe vor. Die vollständige Umsetzung der inklusiven Jugendhilfe wird jedoch erst 2028 erreicht sein.


Rheinland-Pfalz hat sich schon frühzeitig dafür ausgesprochen, dass die Gesamtzuständigkeit für alle Kinder und Jugendlichen – gleich ob mit oder ohne Behinderung oder welche Art der Behinderung vorliegt – im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe die eindeutige Zielperspektive des Reformprozesses sein muss. Dieses Ziel haben wir bereits 2010 im bundesweit ersten Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben.
 

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