Interview mit Frauenministerin Binz
Auf der kommunalpolitischen Ebene nimmt man Frauen nur selten wahr. Diese subjektive Wahrnehmung wird auch durch den letzten Paritätsbericht statistisch untermauert: Nur knapp jedes vierte kommunalpolitische Amt ist bei der Kommunalwahl 2019 an eine Frau gegangen. Was glauben Sie, woran es liegt, dass so wenige Frauen in der Kommunalpolitik aktiv sind?
Frauenministerin Katharina Binz:
Das Problem ist vielschichtig. Zum einen kann gesagt werden, dass Frauen, die kandieren, zwar von den Parteien aufgestellt werden, jedoch dann trotzdem oft Männer auf den vorderen Listenplätzen landen. Besonders offenkundig wird dieses Dilemma auf der Ebene der Verbands- und Ortsgemeinden. Gründe finden sich darin, dass der Bekanntheitsgrad der Frauen oft nicht dem der Männer entspricht.
Andererseits trauen sich Frauen auch seltener ein politisches Amt zu, noch vertrauen sie ausreichend auf ihre eigenen Fähigkeiten und Stärken. Ihnen ist oft nicht bewusst, dass ihr Erfahrungsschatz, ihre Ideen und insbesondere ihre weibliche Sichtweise, die Qualität der kommunalpolitischen Entscheidungen positiv bereichern und beeinflussen können.
Genau da setzt unsere Kampagne an: Wir wollen Frauen aufzeigen, wie wichtig und wertvoll gerade ihr Engagement in den Kommunen ist!
Was müsste sich nach Ihrer Meinung ändern, damit mehr Frauen aktiv in der Politik vertreten sind?
Frauenministerin Katharina Binz:
Ich glaube, dass es in erster Linie wichtig ist, die Rahmenbedingungen zu verbessern, damit die Vereinbarkeit von Familie und Mandat für Frauen einfacher wird.
In Rheinland-Pfalz wurde als erster Schritt die Gemeindeordnung und Landkreisordnung im Rahmen der Sitzungstätigkeit insoweit geöffnet, dass zukünftig die Durchführung von hybriden Sitzungen möglich sein wird. Außerdem soll, neben der Sitzungspauschale, ein finanzieller Ausgleich zur Betreuung von nahen Angehörigen durch Dritte während den Ratssitzungen gewährt werden. Diese beiden Punkte werden eine Vereinbarkeit sicherlich schon erleichtern.
Als weiterer Punkt müsste dafür gesorgt werden, dass im politischen Alltagsgeschäft kein Raum mehr für Diskriminierung, sexueller Belästigung und sexistischen Anfeindungen geben darf. Hier finde ich es unabdingbar einen parteiübergreifenden Verhaltens- und Kommunikationskodex zu entwickeln, der ein gutes, wertschätzendes und respektvolles Miteinander sicherstellen kann. Zusätzlich könnte ein nachhaltiges Umdenken bei allen Beteiligten gefördert werden, wenn Verstöße entsprechend geahndet würden.
Außerdem brauchen wir weiblichen Nachwuchs in der Kommunalpolitik! Den können wir aber nur gewinnen, wenn wir weiblichen Vorbilder sichtbar machen.
Wir wollen die engagierten Frauen und die, die sich gerade erst für ein Mandat erfolgreich beworben haben, auch nachhaltig unterstützen: durch Fortbildungsangebote, aber vor allem auch ein Netzwerk vieler Frauen, die sich austauschen und gegenseitig unterstützen. Denn gerade Vernetzung ist für Frauen wichtig.
Am Rheinland-Pfalz Tag 2023 in Bad Ems fand die Kick-Off-Veranstaltung zu der Öffentlichkeitsinitiative „Kommunalpolitik braucht Frauen“ statt. Was war Ihr Antrieb diese Kampagne zu starten?
Frauenministerin Katharina Binz:
Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in allen Lebensbereichen ist weiterhin ein großes Thema. Der Paritätsbericht zur Kommunalwahl 2019 macht sehr deutlich, wieweit wir tatsächlich noch von der Parität, also der gleichmäßigen Verteilung der politischen Macht zwischen Männern und Frauen, entfernt sind. Ich möchte mit dieser Initiative unseren Beitrag dazu leisten, dass nach der Kommunalwahl 2024 mehr weibliche Kommunalpolitikerinnen in den Räten ihr Mandat wahrnehmen können. Für eine politisch gute Entscheidung ist es nämlich sehr wichtig, dass alle Lebenswelten berücksichtigt werden. Aktuell sind die Räte verstärkt durch Männer besetzt. Bei Entscheidungen spielt die weibliche Sicht, Erfahrung und Kompetenz somit eine geringere Rolle. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir in den Kommunen beides brauchen, Männer und Frauen, um gute und zukunftsorientierte Entscheidungen für die eigene Heimat zu entwickeln und umsetzten zu können.
Was möchten Sie mit der Kampagne erreichen?
Frauenministerin Katharina Binz:
Zunächst geht es mir darum Frauen zu motivieren, im Rahmen der Kommunalwahl 2024, für ein politisches Amt bzw. Mandat zu kandidieren. Auch möchte ich Frauen ermuntern, die bereits schon politisch aktiv sind, ihr Amt bzw. Mandat weiter auszuüben und sie in ihrem Bestreben darin stärken und stützen.
Darüber hinaus möchte ich mit der Initiative vermitteln, dass kommunalpolitische Arbeit Spaß macht und mit Freude ausgeübt werden kann. Und ich möchte mit der Kampagne Maßnahmen anstoßen, die auch langfristig die engagierten Frauen unterstützt.
Und das wichtigste Ziel ist mir den Frauen bewusst zu machen, dass sie durch ihr kommunalpolitisches Engagement die Zukunft ihrer Kommune klar mitgestalten können. Denn die Kommune braucht Frauen!
Gibt es Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die Sie bei der Initiative unterstützen?
Frauenministerin Katharina Binz:
Selbstverständlich, diese Kampagne wäre nicht möglich ohne unsere tollen Kooperationspartnerinnen! Als Unterstützerinnen konnte ich die rheinland-pfälzischen Landfrauenverbände, die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten und den Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz gewinnen. Die Landfrauenverbände und die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten werden das ganze Jahr über immer wieder Maßnahmen, Projekte und Veranstaltungen zum Thema „Mehr Frauen in die Kommunalpolitik“ gestalten. Das kann in Form von Jahresempfängen mit fachlichen Input, Mentoring-Programme sowie Fachtagungen und vielem mehr sein. Es lohnt sich also vor Ort bei den Landfrauen bzw. kommunalen Gleichstellungsbeauftragten nachzufragen und an den tollen Angeboten teilzunehmen. Ich kann es nur empfehlen!
(Hier geht es zu den Terminen!)
Außerdem erarbeiten wir derzeit zusammen mit der Kommunal-Akademie, ein geeignetes Fort- und Weiterbildungsprogramm für politisch aktive Frauen und die, die es werden wollen. Ganz nach dem Leitgedanken „von Frauen – für Frauen“. Bereits ab November 2023 wird es losgehen. In Seminaren sollen neben dem fachlichen Input auch Soft Skills, wie Rhetorik, Schlagfertigkeitstraining oder Coaching usw. vermittelt werden. In 2024 wird das Hauptaugenmerk auf die gewählten Ratsmitglieder liegen, die ab Herbst 2024 sich nicht nur mit Basiswissen fortbilden können.