Weibliche Genitalbeschneidung 

(Female Genital Mutilation/Cutting, kurz FGM/C)

Weibliche Genitalbeschneidung (FGM/C) ist ein gravierender Eingriff in die Unversehrtheit des Körpers und die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen. Sie ist eine der schwerwiegendsten Menschenrechtsverletzungen und kann schwerwiegende körperliche Komplikationen und erhebliche seelische Belastungen zur Folge haben. Die meisten betroffenen Frauen leiden ein Leben lang darunter.

Deutschland hat sich rechtsverbindlich internationalen Verträgen wie beispielsweise der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (VN) und der VN-Frauenrechtskonvention zum Schutz der Menschenrechte angeschlossen. Auf dieser Grundlage liegt nicht nur eine moralische oder ethische, sondern auch eine rechtliche Verpflichtung vor, aktiv gegen die weibliche Genitalbeschneidung (FGM/C) in Deutschland vorzugehen.

Ob im Zusammenhang mit den hier thematisierten, medizinisch überflüssigen Eingriffen am äußeren weiblichen Genital von Beschneidung oder Verstümmelung die Rede sein soll, ist umstritten.

Einerseits bringt der Begriff der Verstümmelung die zum großen Teil verheerenden körperlichen Eingriffe an Frauen und Mädchen mit der manchmal gebotenen Drastik auf den Punkt. Insbesondere wenn es darum geht, die Öffentlichkeit auf die Praxis der weiblichen Genitalbeschneidung aufmerksam zu machen, kann das hilfreich sein.

Andererseits empfinden viele betroffene Frauen und Mädchen den Begriff Genitalverstümmelung als stigmatisierend und bevorzugen den Begriff Genitalbeschneidung.

Im Fachdiskurs und wenn es darum geht, auf möglicherweise betroffene Frauen und Mädchen zuzugehen, sollte daher dem Begriff der Beschneidung der Vorzug gegeben werden.

Der Kontext bestimmt also, welcher Begriff jeweils verwendet werden sollte. Wir verwenden als Kompromiss die im Englischen gebräuchliche Abkürzung FGM/C, weil sie beide Begriffe in sich vereint: Female Genital Mutilation für Verstümmelung und Cutting für Beschneidung.

In Deutschland ist FGM/C seit 2013 ein eigener Straftatbestand und wird nach § 226 a Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren bestraft. Die Tat verjährt nach zwanzig Jahren. Auch die Durchführung der Beschneidung im Ausland ist strafbar und mit bis zu 10 Jahren Haftstrafe bewehrt.

Grundsätzlich werden vier Typen von FGM/C unterschieden:

  • Typ 1: Teilweise oder vollständige Entfernung der Klitoris-Vorhaut und/oder der Klitoris.
  • Typ 2: Teilweise oder vollständige Entfernung der Klitoris, inneren Schamlippen und/oder der äußeren Schamlippen.
  • Typ 3: Die weitgehendste und schlimmste Form von GenitalverstümmelunFGM/C ist die Infibulation. Das ist die Entfernung von Klitoris und Schamlippen und das anschließende Zunähen der Wunde bis auf eine stecknadelkopfgroße Öffnung.
  • Typ 4: Alle weiteren Verletzungen der weiblichen Genitalien.

Die Praxis von FGM/C ist von Land zu Land - oft sogar innerhalb eines Landes - sehr unterschiedlich. Das kann bedeuten, dass in Teilen eines afrikanischen Landes sehr viele Frauen betroffen sind, in anderen Teilen des gleichen Landes aber die Praxis noch nicht einmal bekannt ist. Die heutigen Grenzverläufe vieler afrikanischer Staaten sind weitgehend durch Kolonialmächte festgelegt worden, die sich nicht an den ansässigen Bevölkerungsgruppen orientiert haben. Die Praxis von FGM/C ist daher nicht an Staatsgrenzen entlang zu bestimmen, sondern wird von bestimmten Ethnien – die ggf. auch grenzüberschreitend ansässig sind – praktiziert. Die nationalstaatliche Zugehörigkeit ist also ein ungeeignetes Kriterium zur Bestimmung der Verbreitung und möglichen Betroffenheit von FGM/C. Dennoch ist ihre Verwendung in der Statistik üblich.

FGM/C wird in weiten Teilen Westafrikas, Ostafrikas und Zentralafrikas, in Ägypten, sowie in den Ländern Jemen, Oman, Saudi-Arabien, Dubai, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Indonesien und vereinzelt in weiteren arabischen und asiatischen Ländern praktiziert.

Zwischen religiöser Zugehörigkeit und der Praxis von FGM/C besteht kein direkter Zusammenhang. Oft war die Praxis von FGM/C in den jeweiligen Ethnien schon lange etabliert, bevor Weltreligionen wie das Christentum oder der Islam eingeführt wurden und sich verfestigten. Auch in christlichen Communitys wird FGM/C durchgeführt.

Meistens wird FGM/C im Kleinkindalter (0-14 Jahren) durchgeführt. FGM/C verstößt damit gegen die Kinderrechte gemäß der Kinderrechtskonvention und gilt als Kindesmisshandlung.

Weltweit wird die Zahl der Betroffenen auf mehr als 200 Millionen geschätzt. Die Zahl der in Deutschland und im Speziellen in Rheinland-Pfalz lebenden Frauen und Mädchen, die von FGM/C betroffen sind, ist jedoch nicht bekannt. Die Nichtregierungsorganisation Terre des Femmes veröffentlicht zwar seit 2012 eine sogenannte bundesweite Dunkelzifferstatistik, die seit 2018 auch nach Betroffenenzahlen in den Bundesländern aufgeschlüsselt wird. Es handelt sich bei den von Terre des Femmes veröffentlichten Zahlen allerdings um Hochrechnungen. Das Gleiche gilt für die vom Bundesfamilienministerium vorgestellten Zahlen, die auf einer Verrechnung von Zahlen des Ausländerzentralregisters mit vermuteten Verbreitungszahlen in den Herkunftsländern beruhen.

Das Thema FGM/C ist bei den betroffenen Frauen in Deutschland stark tabuisiert. Schon in den Herkunftsländern sprechen sie sehr selten offen über dieses Thema. In Deutschland ist es noch schwieriger, Erkenntnisse hierüber zu gewinnen. Dies liegt zum einen daran, dass der Eingriff als Menschenrechtsverletzung eingeordnet, dies von den betroffenen Frauen teilweise aber auch als Stigmatisierung empfunden wird. Zum anderen kann FGM/C mit langen Gefängnisstrafen bestraft werden. Das führt dazu, dass betroffene Frauen sich häufig nicht dazu äußern wollen, da meist den Betroffenen nahestehende Personen involviert sind. Hierdurch ist es faktisch nicht möglich, auch nur annähernd valide Daten über die Zahl betroffener Frauen in Deutschland zu erheben.

Sicher ist, dass in Deutschland und auch in Rheinland-Pfalz Frauen leben, die Opfer von FGM/C geworden sind und es wird davon ausgegangen, dass auch in Rheinland-Pfalz Mädchen von FGM/C bedroht sind. Unterstützungs- und Präventionsagebote sind also unabhängig von der exakten Datenlage wichtig!

Da Deutschland sich rechtsverbindlich internationalen Verträgen wie beispielsweise der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (VN) und der VN-Frauenrechtskonvention zum Schutz der Menschenrechte angeschlossen hat, liegt neben einer moralischen und ethischen auch eine rechtliche Verpflichtung vor, aktiv gegen FGM/C vorzugehen.

Es gibt in Rheinland-Pfalz diverse Anlaufstellen, wie Vereine und Initiativen, die Informationen, Veranstaltungen, Beratungen und Aufklärungsarbeit speziell zum Thema FGM/C anbieten und dafür auch von der Landesregierung gefördert werden.

Zu nennen ist hier unter anderem das Psychosoziale Zentrum für Trauma und Flucht der Caritas Mainz, und das pro familia Zentrum Mainz e.V.

Auf die Beratung von Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund hat sich u.a. auch SOLWODI spezialisiert. Zudem gibt es eine spezielle Mädchenberatungsstelle und eine Mädchenzuflucht sowie Schutzwohnungen.

Darüber hinaus gibt es in Rheinland-Pfalz mit 12 Frauennotrufen, 17 Interventionsstellen, 18 Frauenhäusern, 15 Frauenhaus-Beratungsstellen und dem MädchenHaus Mainz ein ausgebautes Netz an Zufluchts- und Beratungsstellen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, das selbstverständlich auch von FGM/C betroffenen und bedrohten Frauen und Mädchen offensteht.

Weiterhin stehen die Migrationsfachdienste und Kinderschutzdienste zur Verfügung.

Bei körperlichen Beschwerden stehen unter anderem folgende medizinische Fachstellen in Mainz zur Verfügung:

Über spezialisierte Angebote für betroffene Frauen und Mädchen hinaus bestehen die Angebote der gesundheitlichen Regelversorgung für behandlungsbedürftige körperliche und psychische Gesundheitsstörungen infolge von FGM/C. Je nach Konstellation kann im Einzelfall auch eine Versorgungsleistung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG), zum Beispiel in den OEG-Traumaambulanzen, in Frage kommen.

Im Frühjahr 2021 ist das rheinland-pfälzische Modellprojekt „Genitalbeschneidung von Frauen und Mädchen wirksam entgegentreten: Betroffene unterstützen, Fachkräfte qualifizieren und nachhaltige Vernetzungen schaffen“ gestartet. Es ist am Psychosozialen Zentrum für Trauma und Verfolgung der Caritas Mainz angesiedelt.  Die Projektleitung dort hat

Nurhayat Canpolat, Diplom-Sozial-Pädagogin, Telefon: +49 170 7064 239, Email: n.canpolat@Caritas-mz.de.

Für das Modellprojekt hat das Frauenministerium im aktuellen Landeshaushalt 2023 Haushaltsmittel in Höhe von 50.000 Euro zur Verfügung gestellt. Im Rahmen des Projekts werden die Vernetzung bereits bestehender Strukturen zur Bekämpfung von FGM/C sowie die Unterstützungsangebote für Betroffene und Maßnahmen zur Prävention weiterentwickelt und ausgebaut.

Im Modellprojekt finden regelmäßige Netzwerktreffen der agierenden Vereine, Initiativen, des medizinischen Fachpersonals und weiterer relevanter Berufsgruppen statt. Darüber hinaus werden Maßnahmen zur Sensibilisierung und Aufklärung durchgeführt. Auch Weiterbildungsmaßnahmen für verschiedenste pädagogische, medizinische, juristische und behördliche Fachkräfte, die von FGM/C betroffene oder bedrohte Frauen und Mädchen begleiten, werden umgesetzt. Der dritte Baustein des Projekts ist die Konzepterstellung für einen Ausbau der Unterstützungsangebote für betroffene Frauen und Mädchen. Zum Beispiel können gynäkologische Praxen und Hebammen bei Geburtsvorbereitungen wichtige Aufklärungs- und Präventionsarbeit leisten, um eine spätere Beschneidung eines neu geborenen Mädchens zu vermeiden. Das Modellprojekt wird von einem Projektbeirat eng begleitet.

Folgende Maßnahmen stehen im Zentrum des Projekts:

  • Erstellung einer landesweiten Bestandsaufnahme von Aktivitäten rund um das Thema, um den Bedarf von Angeboten sowie nachhaltige Netzwerkarbeit und bedarfsgerechte Strukturen weiterentwickeln zu können.
  • Ausbau der Vernetzung der bestehenden Strukturen zur Bekämpfung von und Unterstützung bei FGM/C.
  • Durchführung von Maßnahmen zur Sensibilisierung, Aufklärung und Qualifizierung für verschiedenste pädagogische, medizinische, juristische und behördliche Fachkräfte, die von FGM/C betroffene oder bedrohte Frauen und Mädchen begleiten.
  • Konzepterstellung für einen Ausbau der Beratungsangebote für betroffene Frauen und Mädchen.

Ansprechpersonen

Rika Esser
E-Mail: rika.esser(at)mffki.rlp.de

Bianca Hanske-Brefka
E-Mail: bianca.hanske-brefka(at)mffki.rlp.de