Insbesondere für die rund 1,5 Millionen Kinder und Jugendlichen in Deutschland, die ein „Mehr“ an Unterstützung benötigen, werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen verbessert. Die wesentlichen Eckpfeiler der Reform sind:
1. Besserer Kinder- und Jugendschutz
2. Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen
3. Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen
4. Mehr Prävention vor Ort, damit Unterstützungsangebote Kinder, Jugendliche und ihre Eltern besser erreichen
5. Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien
„Ich begrüße den Gesetzentwurf der Bundesregierung, der in vielen Punkten eine bessere Chancengerechtigkeit und mehr Teilhabe vorsieht, insbesondere für Kinder und Jugendliche, die besondere Unterstützung brauchen. Ich hoffe, dass das Gesetz nun schnell verabschiedet wird. Insbesondere die Zusammenführung der Leistungen für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe wird es für die Betroffenen perspektivisch erleichtern, ihre Leistungsansprüche geltend zu machen, ohne dass Zuständigkeitskonflikte dies behindern“, sagte Jugend- und Familienministerin Anne Spiegel. „Wir begrüßen es sehr, dass diese sogenannte ‚inklusive Lösung‘ nun einen wesentlichen Eckpfeiler des vorgelegten Bundesgesetzes bildet.“
Die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe für ein gutes und sicheres Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen ist ein zentrales Anliegen der rheinland-pfälzischen Jugend- und Familienpolitik. Aus diesem Grunde hat sich Rheinland-Pfalz im Bundesrat wie auch im Vorfeld mit den anderen Ländern mit vielen Anträgen zur Verbesserung des Gesetzentwurfes eingebracht. Hierbei lag der Fokus des rheinland-pfälzischen Jugend- und Familienministeriums insbesondere auf Vorschlägen zur Verbesserung der mit dem Gesetzentwurf vorgestellten sogenannten „inklusiven Lösung“. Mit dieser soll erreicht werden, dass alle Kinder und Jugendliche ob mit oder ohne Behinderung in die Zuständigkeit des SGB VIII und nicht mehr wie bisher unter zwei verschiedene Sozialgesetzbücher fallen. Mit der bisherigen Regelung gab es oftmals Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Verwaltungen und Kinder und Jugendliche haben keine für sie passgenauen Hilfen erhalten. Um diese Ungleichbehandlung möglichst rasch zu beenden, fordert Rheinland-Pfalz etwa, dass Kommunen schon früher als es das Gesetz vorsieht die Möglichkeit haben sollen, im Rahmen von Modellprojekten Verfahrenslotsen einzusetzen. Diese sollen als verlässlichen Ansprechpartner die Familien durch das gesamte Verfahren und im Kontakt mit Behörden begleiten. „Ich freue mich, dass der Bundesrat in seinem heutigen Beschluss unsere Forderungen aufgegriffen hat“, sagt Ministerin Spiegel.
Weitere Bestandteile der Reform sind die Stärkung von Kindern und Jugendlichen durch mehr Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten, zum Beispiel durch Ombudsstellen, sowie interne und externe Beschwerdestellen für junge Menschen, die in Heimen leben. „Ich freue mich, dass es gelungen ist, mit dem Gesetzentwurf die Selbstvertretungen von jungen Menschen verbindlich zu verankern. Wir müssen jungen Menschen eine Stimme geben. In Rheinland-Pfalz haben wir seit dem letzten Jahr einen Landesjugendhilferat. Der Landesjugendhilferat ist ein Zusammenschluss von Kindern und Jugendlichen, die in Heimen leben. Diese Formen der Selbstorganisationen müssen wir weiter unterstützen und fördern. Jetzt haben wir dafür auch eine gesetzliche Grundlage“, unterstrich Ministerin Spiegel.
Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz werden auch erhöhte Qualitätsanforderungen an die Träger der Kinder- und Jugendhilfe insbesondere auch bei Unterbringung in stationären und teilstationären Einrichtungen (Heimaufsicht) formuliert. Daneben umfasst es auch die Stärkung präventiver Maßnahmen und einen wirksameren Schutz vor Gewalt. Hier hat Rheinland-Pfalz sich mit einem eigenen Antrag dafür stark gemacht, dass der Gewaltschutz im Gesetz noch besser erfasst wird. „Uns ist sehr wichtig, dass die unterschiedlichen Formen von Gewalt, wie der sexuellen, der körperlichen, der psychischen Gewalt sowie Machtmissbrauch klar benannt und bekämpft werden. Wir brauchen verpflichtende Schutzkonzepte für alle Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die jede Form von Gewalt und Machtmissbrauch spezifisch in den Blick nehmen“, so Ministerin Spiegel.
Dem Gesetzentwurf vorausgegangenen war ein langer Dialogprozess mit Expertinnen und Experten, Fachkräften sowie Vertretungen von Ländern und Kommunen.
Hintergrund:
Das Sozialrecht diskriminiert bisher Kinder und Jugendliche mit körperlicher und geistiger Behinderung. Da sie sich in einem anderen Rechts- und Hilfesystem befinden als alle anderen Kinder und Jugendlichen, haben sie und ihre Eltern gravierende Nachteile. Sie leiden unter Zuständigkeitslücken, ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wird erschwert und sie werden mit unnötigen bürokratischen Hürden konfrontiert. Der Gesetzentwurf sieht nun einen schrittweisen Übergang zu einer entsprechenden inklusiven Jugendhilfe vor. Die vollständige Umsetzung der inklusiven Jugendhilfe wird jedoch erst 2028 erreicht sein.
Rheinland-Pfalz hat sich schon frühzeitig dafür ausgesprochen, dass die Gesamtzuständigkeit für alle Kinder und Jugendlichen – gleich ob mit oder ohne Behinderung oder welche Art der Behinderung vorliegt – im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe die eindeutige Zielperspektive des Reformprozesses sein muss. Dieses Ziel haben wir bereits 2010 im bundesweit ersten Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben.