„Spannungsfeld Männlichkeit“

Blick der LAG der Frauennotrufe auf die Befragung von Plan International

Die Frauennotrufe in Rheinland-Pfalz blicken mit Interesse auf die Ergebnisse der neuesten Befragung von Plan International Deutschland e.V. Spannungsfeld Männlichkeit - So ticken junge Männer zwischen 18 und 35 Jahren in Deutschland und haben dazu kürzlich eine Pressemitteilung herausgegeben: „Die Ergebnisse der Umfrage haben unseren Blick auf die immer noch patriarchale Gesellschaft ebenso bestätigt, wie das hohe Ausmaß von sexualisierten Übergriffen und Gewalt von Männern gegen Frauen“, so Anette Diehl vom Frauennotruf Mainz. 
Zwar gab es deutliche Kritik an der Durchführung der Befragung, die laut Anette Diehl jedoch eher dazu führen sollte, eine repräsentative Studie zum Thema durchführen zu lassen. „Die Ergebnisse der Befragung sollten auch nicht verharmlost werden“, so Nina Lindermaier vom Frauennotruf Speyer. „Neben der Kritik ist doch die viel wichtigere Botschaft der Umfrage: Gewalt gegen Frauen ist für viele Männer okay und gehört zum Alltag, unabhängig davon, wie ich die Ergebnisse nun generalisiere und interpretiere. Denn eigentlich ist es doch egal, ob es sich um eine repräsentative Stichprobe, eine Schulklasse oder ein Dorf handelt, denn diese Menschen teilen eine frauenfeindliche Haltung und halten das patriarchale System aufrecht.“
Die Ergebnisse der Plan International Befragung lege nahe, dass in Deutschland viele junge Männer ein traditionelles Rollenverständnis mit starren Geschlechterbildern lebe. Das habe auch negative Folgen für sie selbst und bedürfe einer eingehenden Ursachenforschung.
„Neben den patriarchalen Gesellschaftsstrukturen und erstarkendem Antifeminismus ist die sog. toxische (vergiftete) Männlichkeit die Hauptursache für den Sexismus und die geschlechtsbezogene Gewalt – in der Hauptsache Männergewalt an Frauen und Trans*Personen – in Deutschland“, fasst Diehl zusammen.
Viele junge Männer geben an, sie fühlten sich gestört, wenn Männer ihr Schwulsein in der Öffentlichkeit zeigen, sie möchten laut der Umfrage, dass ihre Partnerin die eigenen Ansprüche zurückstellt, um ihnen den Rücken freizuhalten und viele gaben an, sie fühlten sich schwach und angreifbar, wenn sie Gefühle zeigten.
Skandalisiert wurden in der Öffentlichkeit folgende Ergebnisse: Mehr als ein Drittel der befragten Männer geben an, dass Gewalt im Streit akzeptabel ist, sowie, dass sie auch schon einmal handgreiflich geworden sind, um sich Respekt zu verschaffen. Für jeden dritten Mann (33 Prozent) ist es außerdem akzeptabel, wenn ihm bei einem Streit mit der Partnerin gelegentlich die Hand ausrutscht.
Das decke sich mit den Zahlen der Erhebungen, die sich mit den Betroffenen auseinandersetzen: In Deutschland wird laut Bundesfrauenministerium jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und/oder sexualisierter Gewalt; etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder durch ihren früheren Partner. Laut der Daten des Bundeskriminalamtes (BKA) aus 2021 „sind rund 81 Prozent der Opfer partnerschaftlicher Gewalt (vollendete Delikte) in Deutschland Frauen – bei sexualisierter Gewalt sind es 97%. 109 Frauen wurden 2021 von ihren Partnern getötet, in 192 weiteren Fällen scheiterte der Versuch.“ Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes sagte dazu weiterhin im November 2021, eine Rolle spielten unter anderem patriarchalische Strukturen und tradierte Rollenbilder. 
Die Frauennotrufe in Rheinland-Pfalz sehen einen deutlichen Auftrag zur Ursachenforschung – zum Thema Spannungsfeld Männlichkeit.
Sie sehen weiterhin in ihrer in 2020 gestarteten und vom Frauenministerium finanzierten Kampagne „Männlichkeit entscheidest Du“ zum Thema toxische Männlichkeit eine gute Chance an den für beide Geschlechter schwierigen Rollenzuweisungen zu arbeiten. „Die Einstellung, dass ein Mann dann männlich ist, wenn er andere beherrscht und bestimmt, ist weit verbreitet. Diese so genannte toxische Männlichkeit ist die Wurzel für Demütigung, Abwertung, Sexismus und letztlich Gewalt gegen Frauen und queere Menschen, “ wissen Anette Diehl und ihre Kolleginnen. „Wenn es Männern gelingt, sich von toxischer Männlichkeit zu emanzipieren, haben wir auch für Frauen und queere Menschen viel gewonnen.“ 
Die Mitarbeiterinnen der Frauennotrufe fühlen sich außerdem bestätigt durch Männerforscher Markus Theunert. Als Psychologe, Soziologe und einer der wichtigsten Vertreter der progressiven Männerbewegung äußerte er sich zur Studie im taz-Interview am 20.6.2023 zur Frage, wie ein progressives Männerbild gefördert und umgesetzt werden kann: „Indem wir auf einem feministischen Fundament Räume öffnen und fördern, in denen Männer Verantwortung für ihre Emanzipation wahrnehmen können. Das heißt: Geschlechterreflektierte Jungenarbeit, Väterbildung und Männerberatung gehören flächendeckend in die Grundversorgung. Aber männliche Emanzipation zu erwarten, ohne ein faires Angebot zu machen: Das funktioniert offensichtlich nicht. Wir sollten das anerkennen und überlegen, wie wir das besser machen können.“
Die rheinland-pfälzischen Expertinnen der Fachstellen zum Thema sexualisierte Gewalt schlagen vor, weitere Forschung in diesem Bereich genauso zu fördern wie die Arbeit der feministischen Einrichtungen, die sich nicht nur auf Unterstützungsangebote beschränken, sondern auch gesellschaftlich notwendige Aufklärung und politische Strategien-Arbeit betreiben.
 

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