„Nachhaltige, moderne Familienpolitik ist ein Konzept aus einem Guss, das Familien das bietet, was sie brauchen: Akzeptanz, finanzielle Absicherung, Kinderschutz, Kinderbetreuung und eine guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Pflege oder Studium“, erklärt Ministerin Irene Alt. „Familien sollen sich wohlfühlen und niemand soll sich dafür entschuldigen müssen, dass er Familie hat oder gerade eine gründet – wie auch immer diese aussieht. Hierfür muss Familienpolitik die Rahmenbedingungen schaffen.“
Um dies zu erreichen hat Ministerin Alt jetzt ihre Leitlinien für eine moderne, nachhaltige Familienpolitik präsentiert.
Akzeptanz moderner Familienformen
Familie ist, wer soziale Verantwortung füreinander und für die gesamte Gesellschaft übernimmt, wer also Kinder aufzieht, wer Angehörige betreut und pflegt.
Das können verheiratete Paare mit Kindern sein, unverheiratete Eltern, Alleinerziehende, Patchworkfamilien oder Regenbogenfamilien. Familienpolitik muss sich an all diese Familienformen richten, sie muss alle Altersgruppen ansprechen und erreichen und Familienpolitik muss die spezifischen Belange der einzelnen Zielgruppen erkennen und entsprechende Angebote machen.
Bedarfsgerechte Familienleistungen sicherstellen
Familien müssen über ein ausreichendes Einkommen verfügen, um an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens teilhaben und partizipieren zu können. Dafür muss zum einen die Grundsicherung von bedürftigen Familien ein entsprechendes Niveau erreichen, so wie es das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom Februar 2010 fordert. Zum anderen muss das Steuerrecht dahingehend geändert werden, dass Familien fair, das heißt geschlechtergerecht besteuert werden. Das Ehegatten-Splitting läuft diesem Ziel zuwider.
Damit Familien von Erwerbseinkommen leben können, ist es notwendig, dass flächendeckend Mindestlöhne gezahlt und die Arbeitsbedingungen so gestaltet werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesicherte Arbeitsverhältnisse haben. Die Ausdehnung der Leiharbeit und von geringfügiger Beschäftigung widersprechen dem.
Inakzeptabel ist das Aufwachsen von Kindern in Armut. In einem reichen Land wie der Bundesrepublik Deutschland ist es ein gesellschaftspolitischer Skandal, dass jedes sechste Kind in Armut leben muss, beziehungsweise von Armut bedroht ist. Konzepte wie die Kindergrundsicherung, sind daher auf ihre Realisierbarkeit zu prüfen.
Geschlechtergerechte Familienpolitik statt Betreuungsgeld
Männern und Frauen müssen gleichberechtigt an Familienarbeit und am Er-werbsleben teilhaben können. Das heißt, dass Frauen das Recht haben, in demselben Maße wie Männer ihren Beruf auszuüben, dieselben Karrierechancen zu haben, dasselbe Einkommen zu erzielen und entsprechende Führungspositionen zu übernehmen. Gleichzeitig sollen Männer an ihrer Familie teilhaben können, ohne dadurch einen Karriereknick befürchten zu müssen. Laut einer 2008 veröffentlichten Studie der „hessenstiftung – familie hat zukunft“ wünschen sich 59 % der Väter eine Arbeitszeitverkürzung um durchschnittlich 28,6 %, nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nutzen 23,6% der jungen Väter im Jahr 2009 das Elterngeld zumindest für eine kurze Periode. Das Elterngeld hat mit den Vätermonaten die Beteiligung von Vätern an der Familienarbeit erhöht und die frühere Rückkehr von jungen Müttern in den Beruf erleichtert. Deshalb muss es entsprechend weiterentwickelt werden, damit es noch mehr Männer in Anspruch nehmen. Langfristig muss es eine echte Lohnersatzfunktion bekommen. Denn nur so ist sichergestellt, dass Mütter und Väter gleichberechtigt die frühe Erziehung ihrer Kinder wahrnehmen.
Das Betreuungsgeld setzt vor diesem Hintergrund ein völlig falsches Signal und weist familienpolitisch in die entgegengesetzte Richtung. Denn es schafft einen Anreiz, damit vor allem Frauen nach der Familienpause erst später ins Erwerbsleben wiedereinsteigen. Daraus ergeben sich Einkommenseinbußen, Karriereknicks und unter Umständen eine unzureichende Altersversorgung. Sozialpolitisch ist es zudem höchst problematisch, weil zu erwarten ist, dass vor allem Familien das Betreuungsgeld in Anspruch nehmen werden, für deren Kinder es unabdingbar notwendig ist, frühkindlich gefördert und gebildet zu werden, damit sie ihre Chancen im Leben wahrnehmen können. Daher lehnt Ministerin Alt aus familienpolitischer, aber auch aus frauenpolitischer Sicht das Betreuungsgeld ab. Die für das Betreuungsgeld einkalkulierten Ausgaben in Höhe von rund 1,2 Mrd. Euro sollten statt dessen in den Ausbau von Kita-Plätzen investiert werden.
Tagespflege ergänzt Betreuung in Kindertagesstätten
Eine wichtige Rolle in der Kinderbetreuung kommt neben den Kindertagesstätten der Kindertagespflege zu. Gerade für die Betreuung von sehr jungen Kindern und für die Kinderbetreuung während Randzeiten sind die Angebote von Tagesmüttern und Tagesvätern von großer Bedeutung. Ministerin Alt unterstützt zudem ausdrücklich das Konzept, nachdem Firmen Tagespflegekräfte fest anstellen, die dann bis zu fünf Kinder der Beschäftigten betreuen. Dies wäre ein hervorragendes Angebot im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Stärkere Familienorientierung der Kindertagesstätten
Kindertagesstätten müssen in Zukunft stärker mit den Eltern zusammenarbeiten und sich an der Lebenswirklichkeit und den Bedürfnissen der Familien orientieren
Denn die Rolle der Kitas hat sich in den letzten Jahren geändert: Sie sind heute mehr als nur ein Ort, wo Kinder hingebracht und wieder abgeholt werden. Da Kinder immer früher in die Kita eintreten und immer mehr Zeit dort verbringen, spielen Kitas eine größere Rolle in der Familie und in der Entwicklung und Bildung der Kinder. Familienministerin Alt hat daher für Rheinland-Pfalz das Programm Kita!Plus entwickelt und Ende Mai der Presse vorgestellt. Mit dem Programm Kita!Plus werden Kindertagesstätten konsequent weiterentwickelt mit dem Ziel einer stärkeren Familienorientierung und intensiverer Elternarbeit. Kita!Plus richtet sich an alle Kindertagesstätten, hält aber für Einrichtungen in Wohngegenden mit besonderem Entwicklungsbedarf besondere Leistungen bereit.
Niedrigschwellige Angebote der Familienbildung
Familien brauchen Beratung und Unterstützung – gerade in schwierigen Lebens-lagen. Alle Angebote der Familienbildung und –beratung müssen daher noch stärker als bisher ihr Augenmerk auf niedrigschwellige und nicht-diskriminierende Angebote richten. Familienbildung und –beratung muss an den Orten stattfinden, an denen Familien sind – in Kindertagesstätten und Schulen. Offene Angebote müssen gegenüber Kursen, die sich vornehmlich an Mittelschichtseltern ausrichten, verstärkt gefördert werden.
Notwendig ist auch die Vernetzung von Angeboten der Familienbildung und –beratung. Familienministerin Alt unterstützt diesen Prozess, indem ab Mitte des Jahres eine Servicestelle für alle Familienbildungsinstitutionen – Lokale Bündnisse für Familien, Häuser der Familien, Familienbildungsstätten und Familienzentren – aus Landesmitteln gegründet wird.
Inklusion
Eltern beeinträchtigter Kinder sollen selbst entscheiden können, ob ihre Tochter oder ihr Sohn eine Fördereinrichtung, eine integrative Einrichtung oder eine Regeleinrichtung besucht. Um diese Wahlfreiheit zu stärken, ist es zwingend, dass inklusive Angebote flächendeckend vorhanden sind. Kindertagesstätten und Schulen sollten darauf eingerichtet sein und Eltern in ihrer Entscheidung zum Wohl des Kindes unterstützen.
Kinderschutz durch frühe Hilfen
Ein wirksamer Kinderschutz muss präventiv und vernetzt arbeiten, um Risiken für Misshandlungen frühzeitig zu erkennen und auszuschalten. Denn jedes Kind hat das Recht auf ein gesundes und sicheres Aufwachsen. Da Misshandlungen häufig die Folge einer Überforderung der Eltern sind, gilt es besondere Belastungen frühzeitig zu erkennen, die zu einer Gefahr für das Kindeswohl werden könnten.
Diesen Ansatz verfolgt das rheinland-pfälzische Landeskinderschutzgesetz mit seinen beiden Standbeinen Lokale Netzwerke Kindesschutz und dem Programm „Guter Start ins Kinderleben“. Ein Ergebnis der Bund-Länder-Verhandlungen zu den Mittelzuweisungen zum Bundeskinderschutzgesetz ist, dass der Bund frühe Hilfen finanziert. In Rheinland-Pfalz wird das Programm „Guter Start ins Kinderleben“ jetzt flächendeckend in allen Geburtskliniken eingeführt.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Nur wenn sich die Belange der Familie mit den Anforderungen im Beruf koordinieren lassen, können Eltern einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Dafür ist neben dem Ausbau der Infrastruktur für Kinderbetreuung die Kooperation der Privatwirtschaft, aber auch des öffentlichen Dienstes notwendig. Denn Voraussetzung für eine gute Vereinbarkeit sind eine familienorientierte, flexible Personalpolitik, die lebensphasenorientierte Regelungen ermöglicht, sowie flexible Arbeitszeitmodelle.
Um das Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Rheinland-Pfalz im Bewusstsein zu verankern, hat Rheinland-Pfalz erfolgreich das Audit familieund beruf aufgelegt und lobt in Kürze den Landeswettbewerb „firma& familie – Vorbildunternehmen in Rheinland-Pfalz“ aus.
Familienministerin Irene Alt: „Mit diesem ganzheitlichen Konzept können wir etwas für Familien in diesem Land bewegen. Dies gelingt nur, wenn man alle familienpolitischen Aspekte berücksichtigt und in einem schlüssigen Plan bündelt.“