Handlungsempfehlungen "Interkulturelle Öffnung"

Eine gelingende Integration und die interkulturelle Öffnung der Gesellschaft sind - im idealfall - eng miteinander verknüpft. Doch wie sieht die Praxis aus, was läuft gut und wo gibt es Handlungsbedarf? Diese Fragen standen im Fokus des Fachtags "Interkulturelle Öffnung" am 22. Januar 2020. Die Beiratsmitglieder und zahlreiche Gäste schauten in vier verschiedenen Arbeitsgruppen genau hin und erarbeiten Antworten. Dabei präzisierten sie auch, wo nach ihrer Ansicht noch nachgesteuert werden sollte.

  • den unkomplizierten Zugriff für Unternehmen auf sehr gut vernetzte und informierte Mittlerpersonen, die bei der beruflich-sozialen Integration individuell im Betrieb und vor Ort zu unterstützen

    Die betriebliche Integration von neu eingereisten Menschen mit Migrationshintergrund bringt für alle Beteiligten vielfältige bürokratische, rechtliche, soziale, sprachbildungsbezogene und betriebliche Fragen und Aufgaben mit sich, Dieses Aufgabenfeld ist insbesondere für kleine und mittlere Betriebe sehr herausfordernd und fachfremd. Um sie zu unterstützen sollten Migrationscoaches in den Unternehmen etabliert werden. Bei diesen handelt es sich um sehr gut vernetzte und informierte Mittlerpersonen. Außerdem empfiehlt der Landesbeirat die Verstetigung der bestehenden, "Lotsenhäuser" sowie die finanzielle Förderung der durch die betriebliche Integration entstehenden Kosten.
     
  • sowohl best practice-Beispiele als auch Diskriminierung in betrieblicher Integration offen anzusprechen

    Die Offenheit der Unternehmen für Vielfalt und Integration wächst zwar, dennoch sollten gut gelingende Beispiele breiter kommuniziert werden, um zur Nachahmung und zu einer breiten Verhaltensänderung einzuladen. Aber auch Diskriminierungstatbestände am Arbeitsplatz sollten innerbetrieblich offen angesprochen und offensiv angegangen werden. Sie sollten auf keinen Fall hingenommen werden.
     
  • eine nachhaltige Begleitung von Interkulturellen Öffnungsprozessen im Betrieb, insbesondere für das Führungspersonal

    Der Austausch, die Beratung und die fachliche Begleitung von interkulturellen Öffnungsprozessen sowie die Schulung insbesondere von Führungskräften in Unternehmen ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass interkulturelle Öffnung gelingt.
     
  • eine individuelle, an den Anforderungen des Arbeitsplatzes ausgerichtete Sprachförderung, die unkompliziert in Anspruch genommen werden kann

    Sprachförderung für Beschäftige muss sehr individuell, arbeitsplatzorientiert und wohnortnah angeboten werden. Allgemeine Sprachförderangebote passen zeitlich, räumlich und inhaltlich in der Regel nicht zu den Bedarfen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Zudem fehlt häufig das Wissen um die Prozesse der geförderten Sprachangebote (Antragstellung beim BAMF), die Beteiligten sehen sich i. d. R. damit überfordert.
     
  • ein niedrigschwelliges Beratungsangebot für Betriebe, die Fachkräfte akquirieren und integrieren wollen

    Es sollte eine gut und niedrigschwellig erreichbare Beratungsstelle etabliert werden, die Orientierung und Information gibt für die spezifischen Fragestellungen bei der Fachkräfteakquise aus dem Ausland und den dann folgenden Integrationsprozessen in Gesellschaft und Betrieb. Bedarf besteht auch an Netzwerkangeboten zum Austausch der Unternehmen untereinander sowie an digitalen Beratungstools.
     
  • deutlich mehr und leichter zugängliche Angebote der Nachqualifizierung für (Schul-)Abschlüsse und Qualifikationen anzubieten

    Zahlreiche einwandernde Menschen brauchen aufbauende und nachholende Qualifizierungsbausteine, um sich beruflich erfolgreich integrieren zu können. Hier fehlt es deutlich an Zahl und Zugänglichkeit von Angeboten - insbesondere auch für die Zielgruppe Frauen.

  • verbesserte Rahmenbedingungen für die Umsetzung der IKÖ in Bildungseinrichtungen von Kita bis zur Schule zu schaffen

    Die Rahmenbedingungen für die Förderung der Interkulturellen Öffnung in den Bildungseinrichtungen sollten durch die aktive Unterstützung vonseiten bildungspolitischer Akteur*innen (darunter die zuständigen Ministerien sowie ADD) verberssert werden. Hier wären zum Beispiel kleinere Klassen, multiprofessionelle Team oder etwa die Investion in Forschungsprojekte und deren Evaluation wünschenswert. Um solche Maßnahmen umsetzen zu können, bedarf es u.a. einer verstärkten Förderung des Bildungssektors und einer entsprechenden finanziellen Ausstattung.
     
  • die feste Verankerung interkultureller Kompetenz als Pflichtmodule in Aus-, Fort- und Weiterbildung

    Die Implementierung des Themenfeldes Interkulturelle Kompetenz als Pflichtmodule in der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie eine entsprechende Qualifizierung des pädagogischen Personals ist von sehr großer Wichtigkeit, um das Fundament für die Förderung von IKÖ in Bildungseinrichtungen von Kita bis Schule zu legen.
     
  • die vermehrte Einstellung von interkulturellen Fachkräften sowie Pädagog*innen mit Migrationshintergrund in Kitas und Schulen

    Um die zunehmende Vielfalt der Gesellschaft acuh im pädagogischen Personal der Bildungseinrichtungen abzubilden und um gleichzeitig die IKÖ zu fördern, ist die vermehrte Einstellung und feste Verankerung von multiprofessionellen Teams, darunter pädagogische Mitarbeiter*innen mit Migrationshintergrund und interkulturelle Fachkräfte notwendig.

  • die Selbstorganisation von Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte zu begleiten und zu unterstützen

    Selbstorganistationen können wichtige Beiträge zur interkulturellen Öffnung von Strukturen, Vereinen und Verbänden in den Handlungsfeldern "Sport, Kultur und ehrenamtliches Engagement" leisten. Die Förderung der Selbstorganisation von Menschen mit einer Flucht- oder Migrationsgeschichte sollte deshalb durch die Landesregierung ressortübergreifend und stärker als bisher angeregt, unterstützt und gefördert werden. Dazu ist die Kooperation mit bestehenden Selbstorganisationen zu intensivieren und im Rahmen des laufenden gleichnahmigen Bundesprogramms in Rheinland-Pfalz der Aufbau und die Einrichtung eines "House of Ressources" in zivilgesellschaftlicher Trägerschaft zu fördern.
     
  • die Erarbeitung und Umsetzung von Leitbildern als Kriterium für finanzielle Förderungen zu etablieren

    Die Erarbeitung und Umsetzung von Leitbildern und Konzepten der interkulturellen Öffnung in Strukturen, Vereinen und Verbänden aus den Handlungsfeldern "Sport, Kultur und ehrenamtliches Engagement" sollte zu einem Kriterium werden, das bei Entscheidungen über die finanzielle Förderung mit Landesmitteln Beachtung findet.
     
  • die Integration als kommunale Pflichtaufgabe auszuweisen

    Die Kommunen, deren Kooperation oder Verweigerungshaltung vor Ort wesentlich über das Gelingen oder Misslingen von Prozessen der interkulturellen Öffnung von Strukturen, Vereinen und Verbänden in den Handlungsfeldert "Sport, Kultur und ehrenamtliches Engagement" mitentscheidet, sollten von der Landesregierung dazu angeregt werden, ihrer Verantwortung verlässlich gerecht zu werden. Der Landesbeirat empfiehlt daher, Integration zu einer kommunalen Pflichtaufgabe zu erklären und dadurch u.a. sicherzustellen, dass es in der Kommunalverwaltung fest verankerte und ndiederschwellig ansprechbare "Kümmerer*innen" wie z.B. eine*n kommunale*n Integrationsbeauftragte*n gibt.

  • die Interkulturelle Öffnung als Strategie für den Dienstleister Kommunalverwaltung zu verstehen

    Die öffentliche Verwaltung sollte ein Selbstverständnis entwickeln, nach dem sie sich als Dienstleisterin begreift, deren Arbeit sich an den Einwohnerinnen und Einwohner der Kommune orientiert. Ihr Ziel ist Teilhabegerechtigkeit für alle. Der strategischen Rahmen und die Instrumente, die Interkulturelle Öffnung bietet, sollten genutzt werden, um die öffentlichen Dienstleistungen und die gesamte Organisation Kommunalverwaltung an diesem Ziel auszurichten. Sowohl die Beschäftigten als auch die Einwohnerinnen und Einwohner der Kommunen sollten in geeigneter Form in die Prozesse eingebunden werden und mindestens regelmäßig über Planung und Umsetzung informiert werden.
     
  • Vielfalt als "echtes" Querschnittsthema zu etablieren

    Vielfalt sollte im Leitbild der Kommune als zentrales Thema verankert sein. Dies ist ein Schritt auf dem Weg zu Etablierung von Vielfalt als Querschnittsthema in der Kommunalverwaltung. Doch weitere konsequente Schritte müssen folgen, damit etwa die Zusicherung, die Vielfalt der Einwohner*innen als richtschnur für kommunales Handeln nehmen zu wollen, Realität wird. Dazu gehört, die Interkulturelle Öffnung seitens der Verwaltungsspitze voranzutreiben und diese als "Chefsache" und Pflichtaufgabe zu betrachten.
     
  • Ressourcen sichern und Strukturen schaffen.

    Soll ein interkultureller Öffnungsprozess intiiert werden, werden personelle und zeitliche Ressourcen benötigt. Ebenso bedarf es einer strukturellen Verankerung des Enwicklungsprozesses und einer Zuständigkeit. Die entsprechenden Beauftragten sollen so in die Verwaltungsstruktur eingegliedert sein, dass sie mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet und in relevante Gremien und Ausschüsse eingebunden sind. Grundsätzlich sollten Interkulturelle Öffnung und Integration eine kommunale Pflcihtaufgabe sein, für die die Bereitstellung von Ressourcen gesetzlich verankert ist.