Jahreszahlen 2023 der Interventionsstellen
Die Interventionsstellen Rheinland-Pfalz sind spezialisierte Kriseninterventions-, Beratungs- und Vermittlungsstellen für Betroffene von Gewalt in engen sozialen Beziehungen (GesB) und Stalking. Der Zugangsweg erfolgt, bei Einverständnis zur Datenweitergabe der Betroffenen, durch die Polizei. Die Interventionsstellen arbeiten nach dem pro-aktiven Ansatz, der durch die aufsuchende Arbeit gekennzeichnet ist, d.h. nach erfolgter Datenweitergabe nehmen die Mitarbeiterinnen zeitnah Kontakt mit den Betroffenen auf. Das Ziel der Interventionsstellen ist die Verhinderung weiterer Gewalt durch Krisenintervention und psychosoziale Erstberatung. Die Beraterin informiert die Frau zudem über ihre rechtlichen Möglichkeiten, beispielsweise die Stellung von Anträgen nach dem Gewaltschutzgesetz, und erstellt mit ihr einen Schutz- und Sicherheitsplan. Sie unterstützt sie im Umgang mit Behörden und vermittelt auf Wunsch an andere spezialisierte Beratungs- und Hilfeangebote. Dabei arbeitet sie eng mit Institutionen wie der Polizei, der Justiz und weiteren Opferschutzeinrichtungen wie Frauenhäusern, Frauennotrufen und Kinderschutzeinrichtungen zusammen.
2023 wurden in den Interventionsstellen 4.241 Klient*innen beraten, 4.106 Frauen und 135 Männer.
Hochrisikomanagement
Ein Hochrisikofall ist immer dann anzunehmen, wenn sich Frauen und deren Kinder subjektiv von (wiederholter) schwerer Gewalt bzw. der Tötung durch ihren (Ex-)Partner bedroht fühlen und/oder den involvierten Behörden und Einrichtungen objektive Risikofaktoren für die Bedrohung vorliegen. Ein fehlendes Bedrohungsgefühl der Betroffenen schließt das Vorliegen eines Hochrisikofalls nicht aus!
Die Gefährdungseinschätzung erfolgt durch wissenschaftlich evaluierte Instrumente z.B. DA oder ODARA und/oder durch fachliche Einschätzung. Im Jahr 2023 wurden 646 Fälle als Hochrisikofälle eingestuft. Nur bei Einverständnis der Betroffenen erfolgt die Zuweisung zur Fallkonferenz. 381 Betroffene haben ihr Einverständnis zur Fallkonferenz gegeben, 55 Fälle wurden trotz Einverständnis nicht in einer Fallkonferenz behandelt. Auch in den Kinder-Interventionsstellen rückt das Hochrisikomanagement verstärkt in den Fokus. Insbesondere in Fällen mit besonders hohem Gewaltpotential ist eine gezielte Betreuung und Begleitung der Kinder und Jugendlichen unabdingbar.
Kinder-Interventionsstellen
Angegliedert an die Interventionsstelle wurde die erste K-IST 2019 in Koblenz als wichtige Anlaufstelle für von Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche eingerichtet. Seit Ende 2022 entstanden weitere K-ISTen an den Standorten der Interventionsstellen Betzdorf-Neuwied, Mainz und Ludwigshafen. Diese werden, wie auch die Interventionsstellen, hauptsächlich durch das Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration RLP (MFFKI) gefördert und mit Eigenmitteln der Trägerorganisationen ergänzt. Die Kinder-Interventionsstellen der ISTen Speyer und Westerburg werden bisher noch nicht durch das Land gefördert. Sie finanzieren sich durch Spendengelder bzw. über Stiftungen und andere Gelder. Im Jahr 2023 fanden insgesamt 322 Kinder und Jugendliche Zugang zu einer der Kinder-Interventionsstellen.
Die Arbeit der K-ISTen ist durch mehrere besondere Aspekte gekennzeichnet. Insbesondere die Bewältigung der hohen emotionalen Belastungen der betroffenen Kinder und Mütter sowie die Verarbeitung der erlebten Gewalt in der Familie, erfordern eine intensive Unterstützung. Nicht selten bestehen Unsicherheit und Angst der Kinder im Umgang mit den Tätern, die oftmals auch die Väter oder Stiefväter sind. Verhaltensauffälligkeiten der Kinder wie Ängstlichkeit, Wutausbrüche und Konzentrationsschwierigkeiten, sind ständige Begleiter in der Beratung und erfordern gezielte Interventionsmaßnahmen. Der Zugang zur Beratung erfolgt meist über die Polizei oder direkt über die jeweiligen Interventionsstellen. In einigen Fällen nehmen betroffene Elternteile auch selbständig Kontakt zu den K-ISTen auf. Die Beratungstermine werden flexibel an die Bedürfnisse der Kinder und Eltern angepasst.
Die statistische Erhebung der Interventionsstellen RLP weist eine Anzahl von 4.387 im Haushalt lebender Kinder aus. Diese Zahl zeigt eindrücklich die Notwendigkeit eines flächendeckenden Beratungsangebotes für gewaltbetroffene Kinder und Jugendliche sowie ausreichender Ressourcen, um diese wichtige Arbeit leisten zu können (Auszug aus dem Bericht der K-ISTen RLP vom 08.07.2024).
Die Ursachen der Gewalt, die Frauen durch Männer erfahren haben, werden in der Istanbul-Konvention klar benannt: „In Anerkennung der Tatsache, dass die Verwirklichung der rechtlichen und der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ein wesentliches Element der Verhütung von Gewalt gegen Frauen ist; in Anerkennung der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen der Ausdruck historisch gewachsener ungleicher Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern ist, die zur Beherrschung und Diskriminierung der Frau durch den Mann und zur Verhinderung der vollständigen Gleichstellung der Frau geführt haben; in Anerkennung der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen als geschlechtsspezifische Gewalt strukturellen Charakter hat, sowie der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen einer der entscheidenden sozialen Mechanismen ist, durch den Frauen in eine untergeordnete Position gegenüber Männern gezwungen werden;“ die Arbeit in den Interventionsstellen und Kinder-Interventionsstellen kann erst dann überflüssig werden, wenn die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht ist.
Neben Frauenhäusern, Frauenhausberatungsstellen, Frauennotrufen (Fachberatungsstellen bei sexualisierter Gewalt) und Contra häusliche Gewalt (Opferschutz durch Täterarbeit) sind die Interventionsstellen mit den Kinder-Interventionsstellen eine tragende Säule im Interventionsverbund gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen.
Derzeit wird unter der Federführung des MFFKI, Abteilung Frauen, der Aktionsplan der Landesregierung zur Umsetzung der Istanbul-Konvention auf den Weg gebracht. Damit soll das bestehende Unterstützungsnetzwerk gestärkt und ausgebaut werden. Denn nur durch eine stetige Weiterentwicklung unserer Arbeit, durch tragfähige Vernetzungs- und Kooperationsstrukturen sowie Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit ist es möglich, gesamtgesellschaftliche Veränderung mitzutragen oder an ihrer Veränderung mitzuwirken.
Gewalt gegen Frauen und Kinder ist keine Privatsache! Sie geht uns alle an!
Weitere Informationen unter www.interventionsstellen-rlp.de
Träger der Koordinierungsstelle: Frauen helfen Frauen e.V. im Landkreis Birkenfeld, Hauptstr. 143, 55743 Idar-Oberstein;
E-Mail: ISTKoordinierungRLP(at)t-online.de, Telefon : 0160 91109337
Ansprechpartnerin: Sabine Müller-Frank